Das Problem mit den Corona-Schnelltests in Pflegeeinrichtungen: Fehlendes Personal, geringe Kostenerstattung und hoher Verwaltungsaufwand
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Das Problem mit den Corona-Schnelltests in Pflegeeinrichtungen: Fehlendes Personal, geringe Kostenerstattung und hoher Verwaltungsaufwand

Seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 haben sich weltweit mehr als 55 Mio. Menschen mit dem SARS-CoV-2-Virus angesteckt. In Deutschland sind es bis jetzt mehr als 891.000 Infizierte, von denen mittlerweile rund 571.000 wieder genesen sind. Um eine Infektion festzustellen, sind mittlerweile viele verschiedene Testverfahren zugelassen. Waren es Ende März in Deutschland noch etwa 350.000 Tests pro Woche, so wurden die Testkapazitäten laut Robert Koch-Institut inzwischen auf über eine Million Tests pro Woche ausgeweitet.

Statt alle Personen mit einer akuten Atemwegserkrankung prophylaktisch auf das Virus zu testen, liegt der Fokus jetzt auf Personen, die unter einem plötzlichen Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns leiden, plötzliche Atemnot oder sehr hohes Fieber entwickeln bzw. innerhalb der letzten 14 Tage engeren Kontakt zu einem bestätigten Covid-19-Fall hatten.

Zu den gängigen Testverfahren gehören:

1.    PCR-Tests, bei denen der Erreger bei einer Laboruntersuchung nachgewiesen wird. Diese Tests sind sehr genau, erfordern aber hohe Laborkapazitäten und das Ergebnis liegt erst nach bis zu 24 Stunden vor.

2.    PCR-Schnelltests nutzen die gleiche Methode, sind allerdings etwas ungenauer. Dafür müssen sie nicht im Labor untersucht werden und das Ergebnis liegt schneller vor.

3.    PoC-Antigentests weisen durch einen Nasen-Rachen-Abstrich die Eiweißstrukturen von SARS-CoV-2 nach. Vorteile dieses Testverfahren sind die einfache Anwendung und das zeitnahe Testergebnis in weniger als 30 Minuten. Allerdings sind Antigen-Schnelltest nicht so spezifisch und besitzen eine höhere Fehlerquote als etwa PCR-Tests.

4.    Antikörpertests weisen eine abgelaufene Infektion nach, wenn der Körper bereits Antikörper gegen den Erreger gebildet hat. Sie geben aber keinen Aufschluss darüber, ob die Betroffenen noch infektiös sind, wie lange die Infektion zurück liegt oder ob ein ausreichender Immunschutz gegen eine erneute Infektion vorliegt.

Laut aktualisierten Daten des Statistischen Bundesamtes wurden bisher mehr als 25 Mio. PCR-Tests in Deutschland durchgeführt, um eine potenzielle Infektion mit dem Coronavirus nachzuweisen. Besonders in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen dienen Antigen-Schnelltests als Mittel der Wahl, um Personal, Besucher sowie Patienten und Bewohner regelmäßig auf das Corona-Virus zu testen. So sollen vor allem Ältere und Kranke vor einer lebensbedrohlichen Ansteckung mit dem Virus geschützt werden. Um dies zu regeln, ist seit 15. Oktober 2020 die Coronavirus-Testverordnung in Kraft.

Fehlendes Personal für Durchführung von Tests

Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sollen die Antigen-Tests laut Corona-Testverordnung großzügig nutzen, um Infektionen schneller zu erkennen, Infektionsketten nachzuweisen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Das Problem: Alle zurzeit auf dem Markt befindlichen Antigen-Schnelltests müssen von medizinischem Personal durchgeführt werden – geeignetes Personal für die Abstriche ist in diesem Umfang aber nicht vorhanden. Laut Berechnungen der Hamburgischen Pflegegesellschaft werden allein zwei Vollzeitarbeitskräfte für Reihentestungen von Bewohnern, Mitarbeitern und Besucher je 100 Heimbewohner benötigt. Dringend benötigtes Personal zur Behandlung der Corona-Patienten und für die Aufrechterhaltung der Heimfürsorge für die Durchführung von Schnelltests abzuziehen, ist absurd – hier muss für eine praxistaugliche Lösung dringend nachgebessert werden, indem auch geringer qualifiziertem Personal nach einer Schulung die Durchführung der Tests erlaubt wird.

Kostenerstattung in Krankenhäusern höher

Hinzu kommt, dass Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflegedienste laut Corona-Testverordnung bei der Refinanzierung von Corona-Tests gegenüber Krankenhäusern stark benachteiligt werden. So ist derzeit vorgesehen, dass Einrichtungen im Pflegebereich insgesamt 13 € erstattet bekommen: 7 € für den Schnelltest und 6 € für den Personaleinsatz. Krankenhäusern werden dagegen 12 € je Test an Personalkosten erstattet – obwohl der Aufwand für die Durchführung eines Schnelltests vergleichbar hoch ist. Eine 50 % niedrigere Erstattung ist nicht gerechtfertigt und sendet darüber hinaus ein falsches Signal an alle Pflegeeinrichtungen, die aktuell die Belastungen der Corona-Pandemie zu tragen haben. Nicht mit einberechnet ist der hohe Verwaltungsaufwand, der für die Durchführung der Tests, Testkonzepte und die anschließende Kostenabrechnung anfällt. Hier stoßen viele Pflegeeinrichtungen schon jetzt an ihre Grenzen und können die bürokratischen Richtlinien weder vollends durchblicken noch einhalten.

Kosten für Personalaufwand komplett refinanzieren

Statt einer solchen Ungleichbehandlung sollte die Politik dafür sorgen, Pflegeeinrichtungen und -personal in der Corona-Pandemie stärker zu unterstützen. Eine Möglichkeit wäre, die Kosten für den zusätzlichen Personalaufwand zur Durchführung von Corona-Schnelltests voll zu refinanzieren. Auch bei der Erstattung von vorfinanzierten Kosten bei Corona-Tests gibt es Unterschiede: Pflegeeinrichtungen mit eigenen Testkonzepten müssen die Kosten für durchgeführte Testungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen. Die Sachkosten von selbst beschafften PoC-Antigentests müssen dagegen mit der Pflegekasse als außerordentliche Aufwendungen abgerechnet werden. Hinzu kommt, dass die Abrechnungsmöglichkeit nur noch bis 31. Dezember 2020 gilt und es derzeit noch nicht klar ist, ob diese verlängert wird. Im Worst-Case-Szenario sind die vor verauslagten Gelder ab Januar nicht mehr erstattungsfähig – obwohl jetzt bereits absehbar ist, dass uns die Corona-Pandemie noch mindestens bis ins Frühjahr 2021 beschäftigen wird. 

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